HerzTeam: Erfahrung ist entscheidend
20 Januar 2020
Die Erfahrung des HerzTeams ist entscheidend
Die Verengung und die Undichtigkeit der Herzklappe gehören zu den häufigsten strukturellen Herzerkrankungen. Je nach betroffener Herzklappe und je nach Art des Fehlers stehen Patienten von kardiologischen Interventionen bis zur Herzchirurgie verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Zwei Herzspezialisten geben Auskunft:
Was ist unter einer strukturellen Herzerkrankung zu verstehen?
Prof. Dr. med. Peter Martin Wenaweser: Unter strukturellen Herzerkrankungen fasst man Erkrankungen am Herzen zusammen, die vorwiegend eine der vier Herzklappen betreffen, also die Aorten-, die Mitral-, die Trikuspidal- und die Pulmonalklappe. Vor allemdie linksseitigen Herzklappen wie die Aortenklappe als Auslassventil und die Mitralklappe als Einlassventil können im Laufe der Zeit Abnutzungserscheinungen aufweisen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Stenose und einer Insuffizienz?
PD Dr. med. Pascal André Berdat: Herzklappen sind funktionell nichts anderes als ein Einwegventil. Sie regulieren den Blutstrom im Herzen in die richtige Richtung. Das Herz als Blutpumpe kann den Blutstrom nur korrekt leiten, wenn die Klappen normal funktionieren. Eine Herzklappe kann sich aus verschiedenen Gründen verengen und den Blutstrom behindern. Man spricht dann von einer Klappenstenose. Eine Herzklappe kann aber auch undicht werden, sodass das Blut durch sie zurückgepumpt wird. Dann handelt es sich um eine Insuffizienz. Es gibt auch Mischformen, bei denen eine Herzklappe gleichzeitig eine Stenose und eine Insuffi zienz mit unterschiedli-chem Schweregrad aufweist.
Welche Beschwerden treten bei Patienten mit einer strukturellen Herzerkrankung typischerweise auf?
Prof. Dr. med. Peter Martin Wenaweser: Viele Klappenerkrankungen können sehr lange ohne Beschwerden ertragen werden. Liegen Symptome vor, ist das meist ein Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung. Bei gewissen Klappenerkrankungen können ähnliche Beschwerden wie bei einer koronaren Herzerkrankung auftreten, die sich unter anderem als Brustenge und -schmerzen bemerkbar machen. Eine langsam aufkommende Atemnot, die in eine abnehmende Leistungsfähigkeit im Alltag mündet, kann eine weitere Folge sein. Patienten mit einer schweren Verengung der Aortenklappe, der sogenannten Aortenstenose, erleiden häufig einen typischen Kreislaufkollaps, der in der Fachsprache als Synkope bezeichnet wird. Dabei kommt es zu kurzen Bewusstseinsverlusten aufgrund der gestörten Durchblutung im Gehirn. Im fortgeschrittenen Stadium einer Mitralinsuffizienz können unter anderem Atemnot, Müdigkeit, Flüssigkeitsansammlung in der Lunge, geschwollene Beine sowie Herzrhythmusstörungen mit Vorhofflimmern auftreten.
Wie wird eine strukturelle Herzerkrankung diagnostiziert und welche Ärzte sind dabei involviert?
PD Dr. med. Pascal André Berdat: Die Erkrankung wird oft zufällig festgestellt, wenn der Patient den Arzt aufgrund eines anderen Problems aufsucht, weil sie meist lange ohne Symptome verläuft. Der Hausarzt stellt dann mit dem Stethoskop ein Herzgeräusch fest. Bei Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankung erfolgen weitere Untersuchungen beim Kardiologen. Dieser führt beispielsweise einen Herzultraschall, ein Belastungs-EKG und gegebenenfalls eine Herzkatheteruntersuchung durch. In speziellen Fällen nehmen Kardiologen in der Klinik auch Magnetresonanzuntersuchungen oder eine Computertomographie des Herzens vor.
Welche kardiologischen Interventionen stehen Patienten heute zur Verfügung und warum nehmen sie zu?
Prof. Dr. med. Peter Martin Wenaweser: Früher wurden strukturelle Herzerkrankungen primär entweder chirurgisch oder medika-mentös behandelt. In den letzten zehn Jahren haben sich nun für bestimmte Erkrankungen neue Therapieoptionen ergeben, ohne Brustkorberöffnung und ohne Herz-Lungen-Maschine. Über einen Katheter können wir heutzutage einen Grossteil der strukturellen Herz erkrankungen effektiv behandeln. Den Ersatz einer Aortenklappe führen wir mit dem TAVI-Verfahren durch. Dabei ersetzen wir die defekte Klappe durch die Implantation einer neuen biologischen Klappenprothese, die in gefaltetem Zustand über die Leistenarterie eingeführt werden kann. Die TAVI wurde zu Beginn nur bei Hochrisikopatienten durchgeführt, aktuelle Studienergebnisse zeigen jedoch, dass sie auch bei niedrigerem Risiko zur An-wendung kommen kann und vergleichbare oder sogar bessere Resultate ermöglicht als die klassische Chirurgie. Eine detaillierte Vorabklärung inklusive Teambesprechung ist dabei wichtig.
Was für kardiologische Interventionsmöglichkeiten bestehen bei strukturellen Herzkrankheiten sonst noch?
Prof. Dr. med. Peter Martin Wenaweser: Des Weiteren haben wir die Möglichkeit, eine schwere Mitralklappeninsuffizienz bei bestimmten nicht operierbaren Patienten mittels Katheterverfahren zu behandeln. Ein Katheter mit einem Clip an der Spitze (MitraClip) wird dabei über die Leistenvene eingeführt. Nach Positionierung mithilfe dreidimensionaler Ultraschalltechnologie erfolgt die Befestigung des Clips an beiden Segeln der Mitralklappe und reduziert damit die Undichtigkeit. Kathetereingriffe nehmen insgesamt zu, da Herzklappenerkrankungen meist im höheren Alter auftreten und die Kathetereingriffe schonender sind als chirurgische Verfahren.
Welche operativen Methoden werden heute angewandt?
PD Dr. med. Pascal André Berdat: Seit den späten 70er-Jahren sind Klappeneingriffe Routine in der Herzchirurgie. In den meisten Bereichen ist die Operation immer noch die Behandlung der Wahl, sprich der Goldstandard. Wir können jede Klappe ersetzen, sei es mit einer biologischen oder einer mechanischen Prothese. Bei einer Mitralklappeninsuffizienz ist hingegen die chirurgische Reparatur der Mitralklappe die Methode der Wahl. In den letzten Jahren haben sich auch Verfahren entwickelt, mit denen der Herzchirurg über kleinere Zugänge Operationen durchführt, die als minimalinvasive Methoden bezeichnet werden. Vor allem bei Mitralklappenoperationen wenden wir die Schlüssellochchirurgie am Herzen an. Dabei verschaffen wir uns über mehrere kleine Hautschnitte Zugang zum Herzen und operieren mithilfe der Bildgebung durch eine Videokamera. Während des Eingriffs wird der Kreislauf des Patienten durch eine Herz-Lungen-Maschine umgeleitet und aufrechterhalten.
Wie läuft die Entscheidungsfindung für die jeweilige Therapie ab?
Prof. Dr. med. Peter Martin Wenaweser: Alle Ärzte, die bei der Abklärung des Patienten beteiligt sind, bilden das Herz-Team und sind wichtig. Neben dem Hausarzt und dem niedergelassenen Kardiologen sind bei der Entscheidungsfi ndung verschiedene Spezialisten involviert: Bildgebungsspezialist, interventioneller Kardiologe, Herzchirurg, Narkosearzt und eventuell weitere Spezialisten treffen sich in einem Board und empfehlen nachfolgend dem Patienten die individuelle Behandlung. Entscheidend für den Erfolg einer Therapie sind die Erfahrung und die Expertise des Teams.
Wann kommt welche Therapie zum Zug – für welche Fälle eignet sich eine Operation und für welche eine kardiologische Intervention?
PD Dr. med. Pascal André Berdat: Das Herz-Team gibt dem Patienten eine Empfehlung ab und klärt ihn über die Vor- und Nachteile der Möglichkeiten auf. Eine Empfehlung erfolgt dabei immer individuell unter Berücksichtigung der medizinischen Rahmenbedingungen, des Alters des Patienten und von Begleiterkrankungen. Eine Empfehlung hängt auch davon ab, ob alternative Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Bei jeder individuellen Empfehlung orientieren wir uns an den internationalen Fachrichtlinien.
PD Dr. med. Pascal André Berdat (Herzchirurgie) und Prof. Dr. med. Peter Martin Wenaweser (interventioneller Kardiologe), haben sich unter anderem auf die Behandlung von strukturellen Herz krankheiten spezialisiert.
Quelle: Herz-Beilage-Tagesanzeiger 2020, Athena Tsatsamba Welsch (Interview)
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